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Unseren Bewertungs- und Messsystemen in der Wirtschaft und im Finanzsystem fehlt es an Nachhaltigkeit. Beispielsweise sagt das BIP wenig über den tatsächlichen Zustand einer Volkswirtschaft aus und schon gar nichts über seine Nachhaltigkeit. Längst werden von renommierten Ökonomen alternative Bewertungskriterien für das Messen wirtschaftlichen Erfolges vorgeschlagen. Warum wir unsere ökonomischen Bewertungsmethoden dringend reformieren müssen und welche Alternativen es bereits gibt.
Von Stefan Rothbart
Begriffe wie „Wirtschaftswachstum“ oder „Bruttoinlandsprodukt“ liest und hört man beinahe täglich in den Medien, wodurch ihnen scheinbar schon eine sakrosankte Bedeutung in unserer Gesellschaft zukommt. Wie selbstverständlich werden unsere wirtschaftlichen Bemühungen und Erfolge mit anderen Ländern verglichen und anhand scheinbar objektiver und aussagekräftiger Bewertungsmethoden evaluiert und kategorisiert. Dadurch entsteht der Eindruck, als ließe sich die Welt adäquat einordnen und in wirtschaftliche Gewinner und Verlierer unterteilen. Doch was messen wir mit unseren ökonomischen Bewertungssystemen eigentlich wirklich? Weltweit hinterfragen immer mehr Experten die Funktionalität und Aussagekraft unserer wirtschaftlichen Messmethoden und sehen darin zentrale Gründe, warum unser globales Wirtschaftssystem bis heute so wenig Nachhaltigkeit zulässt. Dabei sind sich viele Wirtschaftswissenschaftler weltweit inzwischen einig: Um den Kapitalismus und die Weltwirtschaft nachhaltig und ökologischer gestalten und die Ziele von Umweltschutz und Klimaschutz erfolgreich umsetzen zu können, braucht es neue Arten der ökonomischen Erfolgsmessung. Mit anderen Worten, wir müssen unsere Werte ändern.
Das BIP hat ausgedient
Der heilige Gral der ökonomischen Erfolgsmessung ist bis heute das Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP (englisch: Gross domestic Product, GdP). Der Bewertungsindex wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt und geht in seinen theoretischen Anfängen auf Adam Smith, Thomas Robert Malthus und William Petty zurück. Es stammt also aus der Anfangszeit des materiellen Kapitalismus und beschreibt den Gesamtwert aller Güter, Waren und Dienstleistungen, die eine Volkswirtschaft in einem Jahr produziert.
Doch was sagt das BIP eigentlich wirklich aus und kann man draus schließen, wie hoch der Wohlstand einer Nation oder Region ist? Eher nicht, sagen Experten. einerseits ist das BIP eine rein materielle Messgröße, die nur das Endprodukt einer Wertschöpfungskette misst. Unter welchen Arbeits- oder Umweltbedingungen die Güter hergestellt werden, ist für das BIP unerheblich. Auch ist es irrelevant, welche Güter hergestellt werden bzw. ob diese einen gesellschaftlichen Nutzen haben oder nicht. Andererseits können wir daraus auch keine Aussage treffen, wie es um die Wohlstandsverteilung, die Lebensqualität und andere immaterielle Güter in einer Gesellschaft aussieht. Beispielsweise tragen Produktion und Verkauf von Medikamenten und Waffen gleichermaßen für das BIP bei. doch daraus lässt sich nicht schließen, wie gesund und sicher eine Gesellschaft ist. Im Grunde kann das sogar genau das Gegenteil aussagen. Eine hohe Produktion von Medikamenten oder Waffen kann auf eine besonders kranke und unsichere Gesellschaft hindeuten.
Dem deutschen Soziologen und Gründer des Basel Institute of Commons and Economics, Alexander Dill, zufolge, ist das BIP außerdem ein Bewertungskriterium, das dazu beiträgt, arme Staaten gegenüber reichen Staaten zu benachteiligen. Mit dem BIP werden nur jene Kriterien gemessen, in denen Industriestaaten automatisch besser abschneiden als Entwicklungsländer. Doch das BIP ist wesentlich bei der Vergabe von internationalen Krediten, weswegen wirtschaftlich schwache Staaten automatisch auf den weltweiten Kreditmärkten benachteiligt werden und sich die Verteilung von Geldern nach Kriterien des BIP orientiert. Das führt zu Verzerrungen bei Investitionen in Entwicklungsländern, wo gerade jene Bereiche, die für die Bekämpfung der Armut am wichtigsten wären, wie etwa der Ausbau von Bildung und medizinischer Versorgung, am wenigsten profitieren.
Darüber, wie nachhaltig, sozial oder friedlich eine Volkswirtschaft ist, sagt das BIP nichts aus, dabei wären dies doch eigentlich wichtige Voraussetzungen für gute Lebensqualität.
Den gesamten Artikel finden Sie in der Ausgabe Oktober/18.
Foto: canva.com
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