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Digitale Revolution: Müssen wir Demokratie neu lernen?

Digitale Demokratie

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Facebook, Youtube und Co. haben unser westliches Modell von Demokratie in den letzten Jahren schleichend, aber radikal verändert. Vor allem die Medien, die vierte Säule im Staat, sind gewaltig ins Wanken geraten.

Von Stefan Rothbart

Internet und soziale Netzwerke bestimmen immer mehr unser politisches Handeln und Denken und haben die Demokratie angreifbarer gemacht als je zuvor. Wie müssen wir als Gesellschaft darauf reagieren und was müssen wir aus den Entwicklungen der letzten Jahre lernen?

Längst sprechen Experten von „Echokammern“ und meinen damit segregierte digitale Räume, in denen heute die politische Meinungsbildung stattfindet. Diese Räume sind die politischen Online-Foren und Youtube-Kanäle und Facebook-Gruppen dieser Republik, wo sich in geschlossenen digitalen Räumen Gleichgesinnte treffen, wo alles geglaubt, geliked und geteilt wird, ohne dass es ein Korrektiv, eine Gegendarstellung, dafür gibt. Was unter dem Strich dabei herauskommt, ist ein einseitiger Diskurs. Der Bereich des politischen Meinungsspektrums wird auf Türspaltniveau verengt. Je nach sozialer Prägung landen die Menschen in der einen oder anderen ideologisch geprägten Echokammer und kommen dank moderner Algorithmen auch kaum mehr aus ihrer Blase heraus.

Meinungsvielfalt,
 aber fehlende Interaktion

Eine offene demokratische Gesellschaft lebt zweifelsfrei von der Meinungsvielfalt und abgesehen von gewissen roten Linien, deren Überschreitung jeder Rechtsstaat zu verhindern wissen sollte, braucht es in einer Demokratie auch Räume, wo sich diese unterschiedlichen Meinungen bilden und wo sie miteinander in Diskurs treten können. Es war bisher Aufgabe der Medien, diesen Raum für Diskurs und Meinungsvielfalt zu bereiten und kritisch darüber zu reflektieren. Doch mit dem Aufkommen der sozialen Medien und diverser Internetplattformen sind traditionelle Medien unter Druck gekommen und haben ihre Meinungshoheit zugunsten der digitalen Plattformen verloren. Eine Konsequenz aus den gesunkenen Auflagenzahlen und Quoten von Zeitungen und TV-Sendern ist, dass Redaktionen immer mehr personell ausgedünnt wurden.

Youtube als neues Staatsfernsehen

In der Wahlund Kommunikationsforschung wird von namhaften Experten die Bedeutung audiovisueller Inhalte für die politische Meinungsbildung immer wieder betont. 2007 bezogen 75 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ihre politischen Informationen primär über das Fernsehen, während Radio (50 %) und Zeitungen (10-20 %) eine deutlich geringere Rolle spielten. In den letzten zehn Jahren hat sich dieser Wert jedoch zugunsten des Internets verschoben. Untersuchungen in Deutschland haben gezeigt, dass bei den unter 30-jährigen das Internet mit über 60 Prozent zur politischen Meinungsbildung beiträgt. Seit 2016 ist hier ein großer Anstieg zu verzeichnen. Neben Facebook und Co. ist hier aber vor allem ein Portal besonders von Bedeutung – Youtube. Das seit 2006 zu Google gehörende Videoportal erlaubt es, eigene Informationskanäle einzurichten und eine schier gigantische Anzahl an audiovisuellen Inhalten zu verbreiten. Inzwischen haben sich auf Youtube zahlreiche sogenannte „alternative Medien“ eingerichtet, die in sehr professioneller Weise politische Sendungen anbieten, die immer öfters in den Quotenbereich von öffentlich rechtlichen Sendern vorstoßen. Diese alternativen Medien haben längst eine neue Meinungshoheit gebildet.

Alternativ als neuer Mainstream?

Die Bandbreite „alternativer“ Informationskanäle reicht von durchaus seriösen und wissenschaftlich fundierten Inhalten bis hin zu Verschwörungstheorien und esoterischer und populistischer Propaganda. Gemeinsam ist ihnen offenbar nur ihr alternativer Charakter zu den traditionellen Medien, indem sie vorrangig Meinungen oder Themen aufgreifen, die in der sogenannten „Mainstreampresse kaum oder gar nicht behandelt werden. Youtube bietet genau jenen Raum für Meinungsvielfalt, der für Demokratien wichtig ist, doch es fehlen das kritische Aufeinandertreffen unterschiedlicher Standpunkte und die objektive Reflexion.

Traditionelle Medien haben lange Zeit diesen Trend übersehen und die Kollegen aus dem Internet belächelt und diffamiert. Doch die fehlende Auseinandersetzung mit den digitalen Meinungsräumen hat zum Glaubwürdigkeitsverlust traditioneller Medien beigetragen.

Das Positive an dieser Entwicklung ist, dass sich durch Youtube und Co. die Meinungsvielfalt enorm ausgeweitet hat und eine ganz neue Freiheit entstanden ist, Meinungen auch zu äußern. Der Fehler, den die alten

Medien, vor allem die öffentlich rechtlichen Anstalten, gemacht haben, ist, dass sie diese Meinungsräume bisher außen vorgelassen oder diffamiert haben. Richtig wäre gewesen, sich mit den neu entstandenen Meinungshoheiten reflektierend auseinanderzusetzen.

Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe.

Foto: Impact Hub Bern

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