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Erfolgsmodell steht auf der Kippe

Sozialpartnerschaft in der Krise

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Sozialpartnerschaft

Noch nie in der Zweiten Republik hat es zwischen den Sozialpartnern und der Regierung so gekriselt wie aktuell. Das Spannungsfeld reicht von unverhohlener Machtdemonstration einerseits bis zur ideologischen und parteipolitischen Vereinnahmung andererseits. Die Langzeitbeziehung der Sozialpartner wird zur Staats-Affäre. Wie zeitgemäß ist die Sozialpartnerschaft noch?

Von Stefan Rothbart

Wenn man danach fragt, warum die Erste Republik scheiterte und was den wesentlichen Unterschied in der Zweiten Republik ausmacht, dann ist es die Sozialpartnerschaft. Es war ein Erfolgsrezept, den sozialen Interessenausgleich vom politischen Schlagabtausch im Parlament auszulagern und zur reinen außerparlamentarischen Verhandlungssache zwischen den Sozialpartnern zu machen. So konnten sachliche und ernsthafte Kompromisse geschlossen werden, ohne dass die Parteiinteressen allzu sehr in die Waagschale gelegt wurden. Natürlich sind die Kammern immer mehr oder weniger politisch gefärbt gewesen, doch am Verhandlungstisch saßen keine Parteienvertreter, sondern Vertreter der unterschiedlichen sozialen Gruppen in diesem Land. Im Vordergrund stand der soziale Ausgleich, der einvernehmliche Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern – meistens zum beiderseitigen Vorteil. Doch die Sozialpartnerschaft ist im Wesentlichen immer ein rot-schwarzes Modell gewesen und darin liegt zugleich ihre größte Schwachstelle. Wie resistent ist das System, wenn sich die politischen Konstellationen im Land ändern?

Politische Abhängigkeiten

Solange sich Rot und Schwarz das Land nach Lust und Laune aufteilen konnten, bestand auch in der Sozialpartnerschaft eine gegenseitige Abhängigkeit. Diese Abhängigkeit zwang auch zu Dialog und Kompromiss, wenn jeder weiterhin sein Stück vom Kuchen behalten wollte. Größere politische Machtdemonstrationen gab es daher selten, das hätte die „Harmonie“ in der Sozialpartnerschaft gestört, und jahrzehntelang war man sich einig, Unstimmigkeiten lieber hinter den Kulissen auszutragen, um vordergründig keinen Gesichtsverlust zu riskieren. Der politische Schlagabtausch fand im Parlament statt, nicht auf der Straße und nicht in den Betriebshallen. Das war für Jahrzehnte die gelernte Staatspraxis in Österreich. Während andere Länder in Europa regelmäßig Generalstreiks und Arbeiterproteste erlebten, war die Alpenrepublik die Insel der Seligen.

Diese gegenseitige Abhängigkeit ist jedoch zerbröselt. Die politischen Konstellationen haben sich geändert, der rot-schwarze Machtapparat ist erodiert.

Es ist ein unausgesprochenes Ziel der neuen türkis-blauen Regierung, den Einfluss der Sozialpartner zurückzudrängen, etwas, was bereits die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel versucht hatte. Damals scheiterte das Vorhaben am Widerstand der Sozialpartnerselbst, allen voran aus den eigenen Reihen der ÖVP. So stellte sich der damalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl schützend vor die Arbeitnehmervertreter. Vielen Kammervertretern aus allen politischen Lagern war damals klar, was auf dem Spiel stand.

Mit Harald Mahrer als neuem WKO-Präsidenten haben sich nicht nur die Machtkonstellationen in der Sozialpartnerschaft verschoben, sondern auch innerhalb der Volkspartei. Dem Wirtschaftsflügel wird eindeutig der Vorzug gegeben, ganz zum Missfallen des ÖAAB.

Die Arbeiterkammer monierte bereits, dass man sie aus Entscheidungsgremien ausschließt, beispielsweise beim Insolvenzfonds und der Nationalbank, ganz zu schweigen von der Reform der Sozialversicherungsanstalten, die neben einer Zusammenlegung vor allem auch neue Machtverhältnisse brachte.

Behäbiger Bürokratismus

Der Grund, warum die Sozialpartnerschaft in den letzten Jahren in Verruf gekommen war, liegt in ihrer Unflexibilität und der politischen Verzahnung mit SPÖ und ÖVP. Vertreter der Sozialpartner und der Gewerkschaften waren in Regierung und Parlamenten vertreten und verhinderten zu lange notwendige Reformen. Als Alfred Gusenbauer damals mit Erwin Buchinger jemanden zum Sozialminister machte, der nicht in der Gewerkschaft war, sah der ÖGB darin einen Affront. In der Praxis kam es daher oft zur Blockade und ohne die Sozialpartner ging nichts mehr.

Der Apparat der Sozialpartnerschaft wurde behäbig und zu bürokratisch. Längst fällige Reformen hat man verschlafen, bis eine Gruppe bestausgebildeter und intelligenter Politstrategen aus der JVP die Macht in der Volkspartei übernahm. Dass gerade mit der jungen Truppe rund um Bundeskanzler Kurz die Macht der Sozialpartner aufbricht, ist kein Zufall. Die JVP war eine der wenigen Organisationen innerhalb ÖVP, die nicht in die Sozialpartnerschaft involviert war. Dementsprechend gab es hier nie eine Abhängigkeit von Funktionärsprivilegien. Nicht zuletzt haben die Politstrategen ein Kommunikationsproblem erkannt. Es stimmt ein Stück weit, wenn die Sozialpartner als „Schattenregierung“ bezeichnet wurden. Lohnerhöhungen, Urlaubstage und verbesserte Arbeitsbedingungen wurden nicht etwa der Regierung zuerkannt, sondern wurden als Leistung der Sozialpartner begriffen. Die Regierung hingegen stand in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit nur mehr für Streit.

Foto: Canva

Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe der WN-S.

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