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Die Sache mit dem Berg und dem Propheten


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Active Sourcing

Die digitale Antwort auf ein mechanistisches Denken in der HR-Branche.

Von jenem „War for Talents“, der nach wie vor wie ein Mantra gepredigt wird, kann man in der Realität noch sehr wenig feststellen. Hier geht es sehr friedlich und zum Teil auch durchaus altbacken zu. Der Großteil der Online-Bewerbungen läuft noch immer so ab wie vor zehn Jahren: Seitens der HR-Abteilungen wird ein Inserat geschalten und es wird abgewartet, was an Bewerbungen hereinkommt, und schließlich werden die Bewerber nach einfachen Wenn-dann-Kategorien in unterschiedlichen geistigen Schubladen abgelegt.
Aus der Perspektive der Bewerber geht es zumeist darum, den Lebenslauf und die erworbenen Kompetenzen so zurechtzustutzen, dass sie in ein vorgegebenes Korsett passen – ohne etwa zu berücksichtigen, dass es beispielsweise nicht immer lineare Lebensläufe gibt und Menschen auch mehreren Tätigkeiten gleichzeitig nachgehen können. Bewerber, die nicht unbedingt der Norm entsprechen, haben allerdings auch andere Erwartungen an den Recruiting-Prozess. Sie schalten auf Durchzug, wenn es darum geht, sich in einem Online-Formular elendslang
über den Werdegang und die eigenen Fähigkeiten zu ergehen, alte Schulzeugnisse hochzuladen und sich selbst zu loben. Immerhin würde seitens der HR-Beauftragten einfach eine kurze Recherche in sozialen Medien wie Xing oder LinkedIn auch genügen. Und immerhin gilt in unserer Zeit der Aufmerksamkeitsökonomie für das Recruiting auch ein ähnlicher Zugang wie bei einer Nachricht: Ist eine Nachricht wirklich wichtig, findet sie den Weg zu mir. Bin ich wirklich wichtig, dann werde ich auch gefunden.

Für die gezielte Suche

In diesem Zusammenhang zeigt sich zudem die Ambivalenz, die mit der Methode der Candidate Journey einhergeht: Diese gemeinsame Reise mit den Mitarbeitern, die einem HR-Verantwortlichen oder Berater die einzelnen Stationen und Erfahrungen auf dem Weg bis zum Onboarding erklären, legt sicherlich sowohl Stärken als auch Schwächen eines Recruiting-Prozesses offen. Problematisch ist jedoch, dass dabei nicht auch jene zu Wort kommen, die vielleicht schon beim Lesen der Stellenanzeige abgeschreckt wurden oder im Zuge des Ausfüllens von Online-Formularen genervt das Handtuch geworfen haben. Wer für sein Unternehmen also talentierte Mitarbeiter sucht, die sich weniger um formelle Dinge bemühen und sich lieber mit den fachlichen Aspekten ihrer Tätigkeit befassen, ist gut beraten, auch andere Wege zu gehen und dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nützen. Während die einen dabei davon träumen, die künstliche Intelligenz dafür zu gebrauchen, Stereotype und Vorurteile in praktische Algorithmen zu gießen, um so den Schubladisierungsprozess in der HR-Branche zu optimieren, bietet die Digitalisierung auch die Möglichkeit, sich gezielt auf die Suche nach Mitarbeitern zu machen, die über außergewöhnliche Fähigkeiten und Schlüsselkompetenzen verfügen.

Entscheidung vs. Auswahl

Active Sourcing ist so eine Alternative. Sie ist im „War for Talents“ aber keine Allzweckwaffe. Ganz im Gegenteil, sie ist ein Instrument, um wirklich gezielt auf wenige, aber bestimmte Talente zugreifen zu können. Bleibt man bei dieser martialischen Metaphorik des „War for Talents“, dann lässt sich Active Sourcing wohl am besten mit einem Drohnenkrieg vergleichen. Das Ziel wird vorher ausgespäht, es wird genau beobachtet und eventuell auch ausgemustert und erst dann erfolgt der Kontakt mit jenen, die wirklich relevant sind. Klassisches, aber auch proaktives Recruiting unterscheidet sich dadurch, dass es eher um quantitative Aspekte geht. Ein richtiger Sourcer trifft auch wirklich eine Entscheidung, während sich Recruiter in der Manier von Design Thinking möglichst viele Optionen schaffen möchte, aus denen dann ausgewählt wird. Recruiting arbeitet mit einem Pool an Kandidaten, während Active Sourcing wenig mit Selektion zu tun hat. „Gleichzeitig müssen im Active-Sourcing-Prozess Rollen eventuell neu definiert werden, denn ein gefundener Kandidat muss ja erst für das Unternehmen gewonnen werden, möglichst auf Augenhöhe“, erläutert FHProf. Johanna Grüblbauer, die an der FH St. Pölten in diesem Bereich wissenschaftlich tätig ist. Sie verweist auch darauf, dass potenzielle Kandidaten in einem solchen Dialog nicht mehr die Rolle von „Bittstellern“ haben. „Hier müssen Recruiter schon mal in die Verkäuferrolle schlüpfen“, so Grüblbauer.

Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe der WN-D.

Foto: LinkedIn

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