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Mit Vorsicht zu genießen

Disruption

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Nicht überall, wo „disruptiv“ draufsteht, ist auch „Disruption“ drinnen.

Im 20. Jahrhundert bezeichneten wir Neues gemeinhin noch als fortschrittlich. Allerdings hat uns der Fortschritt nicht nur Positives beschert, sondern auch Dinge und Veränderungen wie die atomare Bedrohung, die Zerstörung der Artenvielfalt und neue Formen sozialen Ungleichgewichts. 

Von Thomas Duschlbauer

Spätestens mit dem Ausklang des letzten Jahrhunderts hat die Menschheit dies nicht nur erkannt, sondern dem auch insofern Rechnung getragen, als immer häufiger der Begriff der „Innovation“ verwendet wurde. Innovation verweist auf eine Neuerung und damit verbunden auf einen willentlichen Prozess, der aus einer Idee ein marktreifes Produkt heranreifen lässt. Innovation gibt zumindest auch vor, nicht bloß fortzuschreiten, sondern sich dabei an den Märkten und Kundenbedürfnissen zu orientieren.

Äpfel und Birnen

Mittlerweile ist aber selbst die Innovation wieder in die Jahre gekommen. Wohl auch durch die Digitalisierung und die damit verbundenen Erfolgsgeschichten aus Silicon Valley schließen sich immer mehr Entrepreneure dem Narrativ der Disruption an. Die Helden von heute sind in der Wirtschaft die Game Changer; und all diese Disruptoren wollen, dass ihr Unternehmen am besten so wird wie Apple. Dabei werden jedoch Äpfel mit Birnen verglichen, denn bei den meisten Start-up-Ideen handelt es sich nicht einmal um eine radikale Innovation, geschweige denn um eine disruptive. Selbst Teslas Elektroautos sind nicht wirklich disruptiv. Abgesehen davon, dass das Elektroauto bereits mehr als 100 Jahre auf dem Buckel hat und nur deshalb wieder von den Straßen verschwunden ist, weil Elektrizität damals noch etwas Gefährliches war, braucht dieser Wandel auch viel zu lange, um hier von Disruption zu sprechen. Auch die Idee des autonomen Fahrens gibt es bereits seitJahrzehnten und es dauert weit länger als ursprünglich prognostiziert, dass sich diese Technologie durchsetzen kann. Wie in vielen anderen Fällen auch ist Disruption hier viel eher die Rute, die den Mitbewerbern – aber auch eigenen Mitarbeitern – ins Fenster gestellt wird, wobei sich zwar manche fürchten, aber es selbst innerhalb der Automobilbranche doch übertrieben wäre, zu behaupten, dass jetzt kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist. Dies dürfte auch Elon Musk bereits dämmern, da niemand anderer als er selbst das bestehende Geschäftsmodell bereits infrage gestellt hat und die Fahrzeuge künftig eher im Bereich von sehr teuer zu erstehenden Mietfahrzeugen für Car Sharing sieht.

Disruption als Narrativ

Damit die Rute im Fenster auch ihre Wirkung zeigt, wird im Narrativ der Disruption immer gemeint, dass man ganz einfach deshalb disruptiv sein muss, um mit seinem Geschäftsmodell nicht selbst von anderen Disruptoren zerstört zu werden. Dieses Narrativ offenbart auch, dass es gar nicht wirklich um etwas Visionäres oder um einen gesellschaftlichen Wandel geht, sondern lediglich darum, das eigene Business zu schützen. In diesem Sinne sind die meisten sogenannten disruptiven Innovationen oft nur so umwälzend, dass sie lediglich in der eigenen Organisation Wellen schlagen.

Das Gruselmärchen

Eine wirklich disruptive Technologie war hingegen zum Beispiel die digitale Fotografie, die für die Anwender Vorteile brachte, das Fotografieren einfacher und günstiger machte und daher auch sehr rasch adaptiert wurde. So ist es auch der Niedergang von Kodak, der gegenwärtig in Kreisen der Unternehmensberater die Runde macht, um an diesem doch so abschreckenden Beispiel zu zeigen, wie wichtig es ist, neue Entwicklungen nicht zu verschlafen. Tatsächlich funktioniert dieses Narrativ eigentlich nur durch seine Anfangssequenz und dessen Schluss. Denn obwohl die Geschichte damit beginnt, dass bei Kodak – dem damaligen Marktführer der analogen Fotografie – ja 1975 die Digitalkamera erfunden wurde, endet sie damit, dass dieses Unternehmen keinen Nutzen, sondern offenbar nur Nachteile dadurch hatte. Das klingt ein bisschen nach Zauberlehrling, nach Wahnwitz und anderen mythischen Versatzstücken, die schon immer unsere Aufmerksamkeit wecken konnten. Die Story von Kodak ist allerdings kein taugliches Beispiel, um uns zu dem anzuspornen, was offenbar die meisten heute unter Disruption verstehen. Ganz im Gegenteil, denn all jene, die sich wie etwa Michael Shamiyeh, Innovationsforscher an der Kunstuniversität Linz, nicht bloß den Anfang und das Ende vergegenwärtigen, sondern den Plot genau studieren, werden sehen, dass es nicht so war, dass Kodak nach der Erfindung der Digitalkamera in einen Dornröschenschlaf gefallen ist. Kodak hat sehr wohl sehr viel Geld in die Hand genommen und beispielsweise begonnen zu diversifizieren.

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Foto: Detroit Publishing Company

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