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Aufstand gegen die Betonwüsten
Beim Thema Verbauung gehen die emotionalen Wogen hoch, wie neulich bei einer Serie von Zeitungsartikeln über die ausufernde Verbauung in Graz zu beobachten war. In das Gemisch aus nostalgischer Vorstadtromantik und ewiggestriger Wachstumsverweigerung mischen sich immer mehr wirtschaftsfeindliche Parolen, die die berechtigten Forderungen nach einer grüneren und nachhaltigeren Stadtplanung untergraben. Höchste Zeit, mit einigen „Urban Legends“ rund um das Reizthema Verbauung und steigende Wohnpreise aufzuräumen.
Von Stefan Rothbart
Ausgelöst durch eine Serie von Interviews und Artikeln über das Reizthema Verdichtung und Verbauung in Graz in der „Kleinen Zeitung“ ist eine hochemotionale, hitzige Debatte über urbane Wohn- und Lebensqualität entstanden. Eine Debatte, die nicht nur auf die steirische Landeshauptstadt beschränkt bleibt, sondern von zugebauten Tiroler Almen über die letzten Kärntner Seegrundstücke bis hin zur Speckgürtelauswucherung rund um Wien reicht. Doch nirgendwo sonst ist die Diskussion über städtisches Wachstum, Verbauung und den angeblichen Verlust von Lebensqualität exemplarischer als in Graz. Hier, im Zentrum der Steiermark, dem demografischen Saugschwamm dieses Bundeslandes, kommen mehrere Befindlichkeiten und Problemstellungen beim Thema Verbauung zusammen und vermengen sich zu einem äußerst kontraproduktiven und bisweilen sehr populistisch geführten politischen und gesellschaftlichen Diskurs, der mehr auf urbanen Mythen, schlichter sachlicher Unkenntnis und subjektiven Wahrnehmungs- und Stimmungsschwankungen beruht als auf sachlichen Argumenten und Fakten. Gerade jetzt, wo in Zeiten der Corona-Krise die Bauwirtschaft noch sichere Arbeitsplätze bietet und sich voller Auftragsbücher freuen kann, ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt ein solch populistisch und empörungsgeladenes Fass aufzumachen.
Emotionalisierung mit Thema Wohnqualität
Bei der Wohn- und Lebensqualität verstehen Herr und Frau Österreicher keinen Spaß. Ganz nach dem Motto „My Home is my castle“ wird jeder Grund und Boden bis aufs Äußerste verteidigt. Nichts darf das eigene Wohnidyll, die subjektive Wohlfühlblase stören. Ob verbaute Aussicht, Ausländer in der Nachbarschaft oder unerhörte aufs eigene Territorium übergreifende Lärm-, Staub-, Geruchs- oder sonstige nur von esoterischen Feingeistern wahrnehmbare Emissionen. Jegliche Einwirkung auf die eigene Wohn-und Lebensqualität ist eine gefühlte Grenzüberschreitung. Schichtenübergreifend können sich bei dem Thema suburbane Vorstadtvillenbesitzer und junge Bobo-Mittelständler in seltener Allianz einig sein, dass die Lebens- und Wohnqualität in Stadt und Land ja rapide bergabgehe, weil der Nachbar die Aussicht verbaut, die Penthäuser zu teuer und die nächsten Bio-Läden zu weit weg sind. Die subjektive Erwartungshaltung an zeitgemäße Wohnqualität verzerrt das Wahrnehmungsbild und bestimmt eine Debatte, die objektiv betrachtet nur wohlstandsgesättigte Privilegierte führen können. Die Realität ist: Wohnqualität war nie höher als heute und Wachstum der Städte bedeutet Veränderung. Augen auf und subjektive Befindlichkeiten der Realität anpassen!
Hohe Ansprüche als Teil des Problems
Wohnen ist ein Grundrecht, es ist ein fundamentales menschliches Bedürfnis und es ist die Aufgabe der Politik, Wohnraum und Wohnqualität sicherzustellen. So viel zum allgemeinen Konsens, doch die Frage ist, was Wohnraum heute alles leisten muss, um unsere Erwartungen zu erfüllen. Und hier muss man schlicht und einfach den Mut haben zu sagen, unsere hohen Ansprüche sind ein großer Teil des Problems geworden. Objektiv betrachtet wohnt der überwiegende Großteil der Bevölkerung heute in den besten Wohnverhältnissen, die wir je hatten. Der allgemeine Standard bei Einfamilienhäusern und Wohnungen ist heute weitaus höher als noch vor 30 bis 40 Jahren. Die Frage ist nur, womit zieht man Vergleiche. Vergleicht man einen optisch schlichten, modernen gemeinnützigen Wohnbau mit den neoklassizistischen Fassaden repräsentativer Gründerzeithäuser und ärgert sich darüber, dass heutige Neubauten nicht mehr so „schick“ sind, dann kann man gleich Barockschlösser für alle fordern. Die repräsentative Altbauwohnung – wahrlich ein Juwel – entspricht aber oft schlicht und einfach nicht den heutigen Anforderungen an modernes Wohnen. Als unsere schönen Vorstadtvillen und die imposanten Gründerzeithäuser gebaut wurden, waren diese bei Weitem nicht für die Allgemeinheit leistbar, sondern Wohnburgen der Privilegierten, während der Großteil der Bevölkerung in Arbeiterquartieren mit Sanitäranlagen auf den Gängen leben musste. Insofern nähert sich der heutige Wohnstandard der allgemeinen Leistbarkeit und Verfügbarkeit an.
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Foto: iStock.com/Lamontak590623
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