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Abschaffung der Hacklerregelung
Im November 2020 beschloss die türkis-grüne Bundesregierung nach nur einem Jahr die erneute Abschaffung der sogenannten Hacklerpension. Ein sozialpolitisches Trauerspiel in mehreren Akten. Am zentralen Problem ändert sich leider nichts. Die Politik zerstochert weiterhin ungeniert den Pensionskuchen bis zur Unkenntlichkeit. Die Demontage des Pensionssystems geht auch unter Türkis-Grün munter weiter, doch es fehlt der Aufschrei. Wie lange dauert es noch, bis die Umlagesysteme unseres Sozialstaats endgültig kippen?
Von Stefan Rothbart
Bereits Anfang des Jahres – vor Corona – hat Bundeskanzler Kurz die Abschaffung der Hacklerregelung angekündigt. Jetzt – während Corona – zieht er sie mit seinen grünen Koalitionshelfern im Eiltempo durch. Die empörten Appelle der Opposition, vor allem der Sozialdemokraten, quittiert der Kanzler im Nationalrat mit einer gewissen Belustigung. Zeitpunkt sowie Art und Weise offenbaren tatsächlich, woran es Sebastian Kurz mangelt, nämlich an Empathie. Und gleichsam möchte man ihm eine alte Politikweisheit ins Gewissen bringen: Nichts verzeihen die Wählerinnen und Wähler weniger als Arroganz. Mitten im zweiten Lockdown der Covid-19Krise eine Verschlechterung der Langzeitarbeitenden in diesem Land zu beschließen muss zwangsläufig polarisieren. Die Entscheidung der Regierung zeugt daher entweder von fehlendem Taktgefühl oder eiskaltem Kalkül.
Eine wechselhafte Vorgeschichte
Die Hacklerpension, die eigentlich in ihrer korrekten Bezeichnung Langzeitversichertenregelung (LZVR) heißt, war ursprünglich eine Erfindung der ÖVP, zusammen mit der FPÖ, unter Bundeskanzler Schüssel. Schon damals war eine gewisse Portion Populismus im Spiel, denn unter dem sperrigen Namen LZVR war die Regelung schwer zu verkaufen, also nannte man sie im politischen Framing „Hacklerregelung“, obwohl damals schon klar war, dass es nicht in erster Linie die „Hackler“ sein werden, die profitieren würden. Vor allem Büroangestellte, etwa in Banken und Versicherungen, kamen auf die benötigten 45 bzw. 40 Beitragsjahre für Männer und Frauen. 2004 unter ÖVP/FPÖ als Übergangsmodell eingeführt, gab es 2008 einen Parlamentsbeschluss zur Verlängerung der „Hacklerpension“ quasi als Wahlzuckerl. Aber schon damals argumentierte man, dass eine Abschaffung ein Härtefall für alle jene Jahrgänge wäre, die kurz vor der Pensionierung standen. Nicht anders verhält es sich aber auch im Jahr 2020. 2014 wurde das Auslaufen der LZVR unter SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer vorangetrieben. Erst 2019, unter der türkisblauen Bundesregierung von Kanzler Kurz, wurde das Auslaufen der Regelung zurückgenommen. Damals sprach die ÖVP von Gerechtigkeit gegenüber Langzeitarbeitenden. Wer in Österreich etwas leiste, dürfe schließlich nicht der Dumme sein. 2020 ist es dann plötzlich „gerecht“ und „nachhaltig (man merkt das Wording von Türkis-Grün), die Hacklerpension wieder abzuschaffen, denn schließlich sind die Anspruchsberechtigten ja gar keine „Hackler“, und vor allem mehrheitlich Männer. Frauen seien gar benachteiligt.
Fehlende Wertschätzung mit falschen Argumenten
Die Argumentation von Türkis-Grün ist hierbei mehr als bedenklich. Die Hacklerpension wird als Ungerechtigkeit gegenüber Frauen abgetan und sowohl die Regierung als auch gewisse Medien (Standard #räusper) sprechen gar von „Profiteuren“ der Hacklerregelung. Es ist schon mal eine semantische Frechheit, bei Menschen, die 45 Jahre gearbeitet, Steuern und Pensionsbeiträge gezahlt haben, von „Profiteuren“ zu sprechen. Allein das Wort hat einen anrüchigen, unlauteren Beigeschmack und suggeriert eine Geringschätzung der lebenslangen Arbeitsleistung dieser Menschen. Ferner die Zahlen eines Jahres herzunehmen, wonach rund 7.000 Männer und nur eine Frau im Jahr 2020 die Hacklerregelung in Anspruch genommen haben, und daraus eine Geschlechterungerechtigkeit abzuleiten, ist wahnsinnig kurz gedacht. Früher sagte man immer, die Politik denke nur von einer Wahl bis zur nächsten. Hier hat man fast den Eindruck, dass nur mehr von Pressekonferenz zu Pressekonferenz gedacht wird. Man möchte meinen, das Pensionssystem wäre eine Materie, die über mehrere Generationen hinweg betrachtet werden muss. Die Auswirkungen einer Regelung daher an den Zahlen eines Jahres zu beurteilen ist wohl in diesem Kontext nicht besonders zielführend. Während Männer 45 Beitragsjahre vorweisen mussten, brauchten Frauen nur 40 Beitragsjahre. Das Hauptproblem im Jahr 2020 ist, dass Frauen aktuell noch mit 60 Jahren in Pension gehen können und so gar nicht an die für die Hacklerpension geforderten 62 Jahre herankommen. Durch die sukzessive Angleichung des Pensionsantrittsalters in den nächsten Jahren wären wesentlich mehr Frauen zukünftig auch anspruchsberechtigt gewesen.
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Foto: iStock.com/3dSculptor
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