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Sicherheit in der digitalen Welt
Der bekannte deutsche Philosoph Richard David Precht gilt als prominenter Skeptiker der Digitalisierung. Laut ihm mache künstliche Intelligenz unsere Welt nicht menschlicher. Chefredakteur Stefan Rothbart sprach mit ihm über die Grenzen der Digitalisierung und warum man mit Rationalität keine besseren Entscheidungen trifft.
Interview von Stefan Rothbart
Herr Precht, Sie schreiben in Ihrem Buch eingangs, dass es aktuell zwei wesentliche Strömungen gäbe. Die eine meint, der Mensch müsse zurück zur Natur finden, und die andere will den Menschen mittels Technik verbessern. Letztere nennt sich Posthumanismus. Woher kommt der Wunsch, den Menschen zu überwinden?
Beide Strömungen haben mit dem Klimawandel zu tun. Posthumanisten sind der Auffassung, man könne dem Klimawandel nur damit begegnen, indem man den menschlichen Körper resistent gegen jegliche Umwelteinflüsse macht und ihn quasi aus der Natur heraushebt. Und hierbei spielen die Digitalisierung und künstliche Intelligenz eine Rolle. Doch ich glaube nicht, dass Posthumanisten eine realistische Perspektive vertreten.
Vor allem im Silicon Valley finden sich viele Vertreter des Posthumanismus. Was steckt für ein Geist dahinter, zu glauben, wir müssten unsere eigene Intelligenz gegen eine künstliche Ersetzen, um bessere Entscheidungen treffen zu können?
Man möchte den Menschen so weit wie möglich von seinen biologischen Grenzen befreien. Der alte Traum der Unsterblichkeit. Man hofft mit der Technik auf eine höhere Stufe des Menschseins. Wir digitalisieren nicht nur, um Wirtschaft effektiver zu machen, sondern nach Ansicht ihrer Vordenker auch, um abstrakte höhere Ziele des Menschseins zu erreichen. Die Leitbilder des Silicon Valleys finden die meisten Menschen bei genauerer Betrachtung aber gar nicht so toll. In der Rationalisierung unseres Lebens durch Algorithmen steckt letztendlich wenig Menschliches darin.
Der Posthumanismus propagiert auch eine Verschmelzung des Individuums mit seiner digitalen Identität. In der Corona-Krise diskutieren wir viel über digitale Kontaktverfolgung, digitale Gesundheitsnachweise etc. In China kann inzwischen nur jemand am öffentlichen Leben teilnehmen, der mittels QR-Code seinen Gesundheitsstatus belegen kann. Hat die Corona-Krise dem Posthumanismus Vorschub geleistet?
Bezogen auf Europa kann ich das nicht erkennen. Vor allem auch deswegen, weil sich die digitalen Versprechen in der Corona-Krise als Flopp erwiesen haben. Denken Sie nur an die Corona-App, die letztendlich eine unbedeutende Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie gespielt hat, obwohl man – zumindest hier in Deutschland – wahnsinnig überzogene Erwartungen daran hatte. Dasselbe gilt für die Digitalisierung der Schulen. Auch hier haben die Technik-apostel gemeint, mit Digitalisierung ginge die Lehre viel besser und man brauche ja gar keinen Präsenzunterricht. Jetzt sehen wir, dass wir nicht nur die Programme dafür nicht haben, sondern wir sehen auch, dass die Kinder eigentlich wahnsinnig gerne in die Schule gehen, weil ein großer teil des Lerneffekts an Schulen aus der sozialen Interaktion mit Mitschülern besteht. Das Lernen von anderen. Das sind wesentliche dinge, die die Digitalisierung nicht ersetzen kann. Ich würde eher sagen, durch Video-Konferenzen und Homeoffice haben wir eher erkannt, was uns die Technik nicht bieten kann, nämlich die persönliche und emotionale Nähe zu unseren Mitmenschen. Der allgemeine Ruf nach immer mehr Digitalisierung ist daher zu einseitig. Wir erkennen, was uns digitale Surrogate nicht liefern können, und dass das Problem etwa im Bildungsbereich nicht per se fehlende Digitalisierung ist.
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Foto: pexels.com/cottonbro
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