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Wie sinnvoll ist ein Verbot des Zitierens aus Ermittlungsakten?


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Analyse von Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien

In Österreich wird seit geraumer Zeit über ein Verbot des wörtlichen Zitierens aus Ermittlungsakten diskutiert. Die Diskussion verläuft zum Teil in aufgeregtem Ton. So war dem „Kurier“ zu entnehmen, dass der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags das in Rede stehende Verbot des (wörtlichen) Zitats aus Ermittlungsakten angeblich als „medialen Maulkorb“ betrachtet, der „ rechtsstaatlich höchst bedenklich sein“ soll und uns angeblich „zurück in das 19. Jahrhundert“ katapultieren würde.

Doch wie stellt es sich wirklich dar? Dabei sind ein paar Punkte zu beachten:

  1. In einem demokratischen Rechtsstaat kommt Medien gewiss eine wichtige Rolle zu. Der „public watchdog“ reagiert auf Missstände, deckt diese nach Möglichkeit auf und diskutiert Verbesserungen. Das erfordert zum einen Quellenschutz, wie er in Österreich mehrfach ins Gesetz geschrieben steht. Und es erfordert zum anderen, dass – jedenfalls außerhalb des Privat- und Familienlebens Beteiligter – über Fakten und Verdachtsmomente wahrheitsgemäß berichtet werden darf. Doch der Quellenschutz schafft auch Probleme: Denn wenn Informationen – etwa aus einem sogenannten „Verschlussakt“ – veröffentlicht werden, bleibt zumeist im Dunklen, woher das Medium seine Informationen bezieht und ob diese nicht möglicherweise rechtswidrig an Medien „geleakt“ wurden. Man befindet sich im verminten Feld der Verdachtsberichterstattung, die im Kern zur Frage führt: Wie viel Berichterstattung muss der einer Straftat Verdächtige hinnehmen? Die derzeitige Antwort des Gesetzgebers lautet im Wesentlichen: Wenn nicht in Ausnahmefällen Anspruch auf Identitätsschutz besteht, muss der Verdächtige akzeptieren, dass der gegen ihn bestehende Verdacht in aller Ausführlichkeit medial dargestellt wird, so dies wahrheitsgemäß und unter Beachtung der Unschuldsvermutung erfolgt. Das ist durchaus viel, wenn man bedenkt, dass die ganz überwiegende Mehrzahl der Ermittlungsverfahren eingestellt wird.
  2. Die Fallgruppe der Verdachtsberichterstattung bereitet in der Praxis daher größte Probleme. Sie wird in Deutschland (anders als in Österreich) wissenschaftlich breit diskutiert. In Deutschland ist mittlerweile unstrittig, dass über einen Straftatverdacht aus der Perspektive des Zivilrechts nur berichtet werden darf, wenn er erstens tatsächlich und nachhaltig besteht, zweitens an der Information ein überwiegendes Interesse besteht und drittens der Betroffene gehört und seine allfällige Stellungnahme wiedergegeben wird. Das ist eine komplexe Abwägung, die im Auge behält, dass sich viele Verdächtigungen im Rückspiegel als falsch herausstellen. Die Berichterstattung muss daher – so ein Rechtssatz aus der deutschen Literatur – „so schonend und zutreffend wie möglich“ erfolgen . Die wörtliche öffentliche Mitteilung von Bestandteilen aus Ermittlungsakten ist in Deutschland untersagt (§ 353d dStGB). Diese Regelung ist nach Ansicht des deutschen BVerfG auch grundrechtskonform. Das ist gut nachvollziehbar: Über den Kern des Verdachts kann ja nach Maßgabe der obigen Abwägung durchaus berichtet werden. Nur das Beleuchten von Aktendetails ist zum Teil untersagt.

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Foto: iStock.com/cnythzl

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