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Von Zukunftsvisionen und saturiertem Bürgertum

Die zweitgrößte Stadt Österreichs wählt. Das Motto des Wahlkampfes lautet „Alle gegen Nagl“. Zwischen einem Sammelsurium an Zukunftsvisionen mischen sich Befindlichkeiten eines gesättigten Bürgertums, das genug hat von Wachstum und Verbauung. Und dennoch laufen alle Forderungen der Parteien doch genau auf das hinaus. Wirtschaft und  Arbeitsplätze hat Graz offenbar schon genug, denn diese Themen spielen im Wahlkampf keine Rolle.

Von Stefan Rothbart

Das Wahlkampfthema Nummer eins ist in Graz die Verbauung, und das schon seit einigen Jahren. Und so lesen sich auch die Wahlprogramme sämtlicher Oppositionsparteien. Ein Kuriositätenkabinett der unterschiedlichsten Vorschläge, um der Bauwut in der Stadt Herr zu werden. Kurios ist auch, dass den Parteien der offene Wiederspruch mit dem zweiten zentralen Wahlkampfthema nicht auffällt, nämlich dem Verkehr. Hier wird von einer U-Bahn, dem S-Bahn-Ring bis hin zu einem Autotunnel unter der Mur ein Sammelsurium an Vorschlägen gemacht, die eines gemeinsam haben: Sie bedeuten wiederum massive Bauvorhaben in der Stadt. Die Summe der Wunschlisten, die die Parteien zur Wahl präsentieren, erweckt den Eindruck großer Unzufriedenheit mit der Entwicklung der Stadt und dass man im Grunde gerne alles anders hätte. Dabei ist Graz wahrlich kein schlechter Ort zum Leben, nur das saturierte Bürgertum übersieht das gerne.

Rasantes Wachstum

Als der amtierende Langzeitbürgermeister Siegfried Nagl vor 18 Jahren ins Amt kam, war Graz eine Abwanderungsgemeinde. Im Jahr 1971 hatte die Stadt noch knapp 250.000 Einwohner. 1991 waren es dann nur mehr 237.800 und Anfang 2002 überhaupt nur 232.900 Personen. Die Stadt kämpfte mit einem Image als Pensionistenhochburg, der Wirtschaft ging‘s nicht ganz so rosig und die meisten Akademiker wanderten nach Wien oder München aus. Siegfried Nagl hat die Kehrtwende vollzogen. Das Kulturhauptstadtjahr 2003 war eine Initialzündung und hat die Stadt aufgerüttelt. Seither verzeichnet die Stadt ein ungebremstes Wachstum. Anfang 2021 waren über 290.000 Menschen in der Stadt mit Hauptwohnsitz gemeldet. Dutzende Betriebe haben sich inzwischen angesiedelt, modernste Forschungszentren sind entstanden, in die Universitäten wurde massiv investiert und ganze neue Stadtviertel wurden aus dem Boden gestampft. Graz ist zum wirtschaftlichen Epizentrum im Süden Österreichs aufgestiegen, das seinen Wirkungskreis weit über die Grenzen des Landes erstreckt. Doch vom Wachstum haben die Grazer vorerst genug. Vielen war das Tempo ihres dynamischen Bürgermeisters zu hoch.

Verkehrsmoloch und Feinstaubhochburg

Unbestreitbar hat Graz die Rechnung ohne den Wirt gemacht, wenn es um den Verkehr geht. Während in den letzten 20 Jahren Wohnbauten wie Schwammerl aus dem Boden schossen, tat sich beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur praktisch nichts. Da konnte auch eine grüne Vizebürgermeisterin zwischenzeitlich nicht viel ändern, die zwar ambitioniert Straßenbahnen und Radwege ausgebaut hat, aber das rasante Verkehrsaufkommen nicht bremsen konnte. Von der Pensionistenmetropole zur Feinstaubhochburg: So lässt sich die Entwicklung von Graz zwischen 2003 bis 2013 kurz zusammenfassen. Inzwischen platzten die Grazer Straßen aus allen Nähten, weshalb die Verkehrsexperten aller Couleurs den Weg in den Untergrund vorschlagen: U-Bahn oder S-Bahn sollen Abhilfe schaffen. Welche Konzepte sich durchsetzen, steht noch in den Sternen.

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Foto: iStock.com/Przemysław Iciak

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