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Digitalisierung
Wenn sämtliche Bereiche unseres Lebens durch eine Technologie transformiert werden, kommen wir letztlich um die Sinnfrage nicht umhin.
Von Thomas Duschlbauer
Die Kondratjew-Zyklen, die aus der Theorie der langen Wellen des sowjetischen Wirtschaftswissenschaftlers Nikolai Kondratjew abgeleitet wurden, basieren auf Basisinnovationen. Sie lösen Konjunkturbewegungen aus, welche rund ein halbes Jahrhundert andauern können. Bis eine solche Basistechnologie allerdings ihre Marktreife erreicht und für eine Fülle von Anwendungen taugt, vergehen ebenfalls oft Jahrzehnte. Das gilt auch für die Digitalisierung, dessen Kondratjew-Zyklus in den 1990er-Jahren startete und heute bereits wieder am Abflauen ist. Ein Meilenstein waren sicherlich die ersten Computer, die Anfang der 1940er-Jahre entwickelt wurden. Genau in diese Zeit fällt auch das Ende des Kondratjew-Zyklus rund um die Elektrizität, die bis dahin in so gut wie alle Bereiche des Alltags ihren Einzug hielt. Mit dem Zusammentreffen dieser historischen Ereignisse bewahrheitet sich auch die These, dass die Basisinnovationen selbst wieder zu Auslösern weiterer Innovationen werden und in der Zeit des Abschwungs bereits an neuen Paradigmen gearbeitet wird.
Innovationen an der Basis
Wichtige Basisinnovationen befeuern allerdings nicht bloß die Entwicklung weiterer Technologien, sie haben auch erhebliche Auswirkungen auf unsere sozialen Praktiken. So hat beispielsweise die Eisenbahn dafür gesorgt, dass ein neuer Begriff von Pünktlichkeit entstand, während das Automobil unsere Einkaufsgewohnheiten veränderte, nachdem entlang der Pendlerrouten in den 1950er-Jahren in den USA die ersten Shopping Malls errichtet wurden. Diesbezüglich ist bei den Basisinnovationen auch zu unterscheiden, ob es sich um Anwendungen handelt, die eher produktbezogen sind, oder ob es sich um Neuerungen handelt, die Fertigungsprozesse oder Dienstleistungen betreffen. Ein Beispiel wären die Verfahren zur Stahlerzeugung, die letztlich nicht nur zu einer Reihe an neuen Produkten führten, sondern im 20. Jahrhundert auch die Kriegsführung radikal änderten.
Ausnahmefall Digitalisierung
Eine wirkliche Besonderheit unter den Basisinnovationen der Kondratjew-Zyklen stellt die Digitalisierung dar. Denn keine bisherige Basisinnovation war in der Lage, so rasch so viele soziale Praktiken so tiefgehend und radikal zu verändern. Vergleichbar ist die Digitalisierung lediglich mit dem Einzug des elektrischen Stromes in unser Alltagsleben. Allerdings erfolgte damals die gesellschaftliche Diffusion langsamer, als dies während der letzten Jahrzehnte im Rahmen der Digitalisierung geschah. Strom galt anfänglich noch als gefährlich, und dessen Handhabung erwies sich als komplex, was auch ein Grund dafür war, dass sich im 20. Jahrhundert das Elektroauto trotz anfänglicher Erfolge gegenüber den Verbrennern nicht durchsetzen konnte.
Die Zugkraft der Narrative
Der Grund für die rasche gesellschaftliche Diffusion lag unter anderem auch darin, dass mit Narrativen an die Erfolgsgeschichten anderer Basisinnovationen, welche einen Kondratjew-Zyklus auslösten, gezielt angeknüpft werden konnte. So tauchte in den 1990er-Jahren hinsichtlich des Internets in den USA die Bezeichnung „New Frontier“ auf, welche an die damalige Expansion nach Westen – auch durch den Ausbau der Eisenbahnverbindungen – erinnern sollte. Angesichts der damals damit verbundenen Ausrottung der Ureinwohner Nordamerikas wäre die Bemühung eines solchen Narrativs heute politisch sicher nicht politisch korrekt. Sie schuf in den 1990er-Jahren jedoch eine Aufbruchsstimmung und schließlich auch die Infrastruktur bzw. die Basis, auf der sich die heutigen Tech-Giganten überhaupt erst etablieren konnten.
Darüber hinaus wurden hinsichtlich der Anwendungen auch Analogien mit den Techniken der elektronischen Kommunikation gezogen. So wurde etwa an die Vision Bertolt Brechts angeknüpft, der forderte, dass das Radio von einem Distributionsapparat zu einem Kommunikationsapparat werden sollte, wodurch jeder mit jedem frei kommunizieren könne. Eine ähnlich positive Vorstellung verfolgt auch das Narrativ einer digitalen Basisdemokratie wie auch jenes der sogenannten Sharing Society. Gemeinsam ist solchen Erzählungen, dass sie sich am Kern der digitalen Technologie – dem Prozessor – orientieren. Es geht bei der Digitalisierung also darum, auch soziale Praktiken neu zu gestalten, sie schneller, effizienter, transparenter oder gerechter werden zu lassen.
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Foto: CDS
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