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Europa und die Fortsetzung der Geschichte


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Krieg Ukraine

Mit der Invasion der Ukraine durch Putins Russland wird der Kalte Krieg 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs plötzlich heiß. Europa und die westliche Welt sind schlagartig mit einer gefährlich veränderten geopolitischen Lage konfrontiert. Auf das jahrzehntelange außen- und sicherheitspolitische „Schlafwandeln“ der Europäischen Union muss nun ein Aufwachen folgen. Welche wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Reaktionen braucht es nun als Antwort auf die Aggression Russlands?

Von Stefan Rothbart

Francis Fukuyama lag falsch. Das mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 von ihm postulierte „Ende der Geschichte“ hat mit der Invasion der Ukraine durch Russland eine schmerzhafte Fortsetzung gefunden. Der Kalte Krieg ist plötzlich heiß geworden, als schon alle glaubten, er sei erloschen. Ein anderer bekannter Autor aus den 1990er-Jahren lag richtig: Zbigniew Brzezinski. Der polnisch-US-amerikanische Politikwissenschaftler war Berater mehrerer US-Präsidenten und galt bis zu seinem Tod im Mai 2017 als einer der profundesten geopolitischen Analysten. Anders als Fukuyama ist er ein Vertreter der sogenannten „realistischen Schule“ der internationalen Politik und des Unilateralismus gewesen und hat den Krieg um die Ukraine bereits in seinem 1997 erschienenen Buch „The Grand Chessboard“ beeindruckend genau vorhergesagt. Darin hat er die Interessenlagen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden, korrekt analysiert. Hätte es in der europäischen Diplomatie in den letzten 20 Jahren mehr außenpolitische „Realisten“ statt „Idealisten“ gegeben, dann wäre die geopolitische Gefahr, die von Russland ausgeht, wohl verstanden und womöglich eingedämmt worden. Doch man gefiel sich eher in der Diktion von Francis Fukuyama, wonach nach dem Ende des Kalten Krieges alle großen Konflikte der Menschheit überwunden wurden, es im Sinne einer hegelianischen Geschichtsphilosophie zur letzten Synthese und zur Auflösung aller weltpolitischen Widersprüche gekommen ist und fortan ein unaufhaltsamer Siegeszug von Demokratie, Marktwirtschaft und Liberalismus folgen würde. Europa war naiv, wie wir jetzt wissen. Die russische Aggression wird weitreichende wirtschaftliche als auch geopolitische Folgen haben, die es nun für die Politik, aber auch für die Wirtschaft zu kalkulieren gilt. Ein Blick in die jüngste Geschichte ist dazu sehr ratsam. Europa darf nicht den Fehler machen, jetzt Reaktionen zu setzen, deren Konsequenzen man nicht kalkuliert hat.

Moral vs. Sicherheit

Die europäische Diplomatie hat sich die letzten 20 bis 30 Jahre im falschen Glauben befunden, dass geopolitische Interessen durch eine internationale moralische Außenpolitik zu ersetzen seien. Die Vorstellung, dass ein europäisches Land mit geballter militärischer Aggressivität ein anderes europäisches Land in einem territorialen Konflikt angreifen könnte, wurde in den strategischen Schaltzentren Europas allzu voreilig ad acta gelegt. Das hat dazu geführt, dass man die europäischen Sicherheitsinteressen nicht mehr im Fokus hatte und das feine Gespür für die sicherheits- und verteidigungspolitische Plattentektonik auf dem Kontinent verloren hat. Mit Wladimir Putin ist ein „Kalter Krieger“ im Jahr 2000 in das höchste Amt im Kreml eingezogen. Lange Zeit ist er als Partner für den Westen aufgetreten und tatsächlich hätte es ein Zeitfenster gegeben, wo man Russland vermutlich in das europäische Boot holen und die beiderseitigen Sicherheitsinteressen hätte überwinden können. Das Putin kein „lupenreiner Demokrat“ (Gerhard Schröder) war und werden wird, wusste man vermutlich bereits im Jahr 2001, als er seine geschichtsträchtige Rede auf Deutsch im Bundestag in Berlin hielt und Europa ein Angebot machte. Dennoch hätte man versuchen müssen, ihn abzuholen. Die „Westbindung“ Russlands wäre ein europäisches Sicherheitsprojekt gewesen, das man leider vernachlässigt hat im Glauben, Russland sei „nur“ mehr eine „Regionalmacht“ (Barack Obama), die wirtschaftlich wie militärisch für Europa keine Bedrohung mehr sei.

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oto: iStock.com/ffikretow

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