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Bauboom – Wahrheit und Mythos


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Bauen

Steigende Wohnungspreise, Bodenverlust und eine scheinbar unregulierte Bauwut sorgen überall in Österreich für empörte Bürgerinnen und Bürger. Nirgendwo sonst ist das aktuell deutlicher zu spüren als in der steirischen Landeshauptstadt Graz. Fast täglich liest man polarisierende Berichte über verbaute Äcker, hohen Leerstand, unerhörte Bausünden und gierige Immobilienhaie in den Tageszeitungen. In einer aufgeheizten emotionalen Debatte liegen Wahrheit und Mythos oft nah beieinander. In einer zweiteiligen Serie versuchen wir die Entwicklung anhand objektiver Fakten nachzuvollziehen. Wir haben bei den Rathausparteien und beim Grazer Stadtplanungsamt nachgefragt.

Von Stefan Rothbart

Die Aufregung rund ums Bauen ist überall in Österreich spürbar. Hohe Flächenversiegelung, steigende Wohnpreise und scheinbar „gierige“ Bauinvestoren sorgen für Empörung in der Bevölkerung. Fast täglich liest man Geschichten von Bausünden, spekulativen Chaletdörfern, die nur reiche Touristen kaufen können, oder von wertvollen Äckern, die den Bauern quasi unter den Füßen weggekauft werden. Die Aufregung ist zum Teil berechtigt, aber es fehlt an objektiven Erklärungen und Lösungsansätzen. Laut Statistik Austria leben wir in Österreich bald neun Millionen Menschen. Tendenz weitersteigend. Daher ist die Nachfrage nach Wohnraum weiterhin groß. Demografisch verändert sich unser Land. Ballungszentren wachsen, ländliche Gebiete dünnen aus. Zudem sorgt die zunehmende Alterung in der Bevölkerung für veränderte Wohnbedürfnisse. Auch unsere wirtschaftlichen Strukturen durchlaufen eine räumliche Veränderung. In der steirischen Landeshauptstadt Graz ist diese Entwicklung besonders spürbar. Das Thema Bauen hat bei der letzten Gemeinderatswahl im Herbst 2021 für einen fulminanten politischen Machtwechsel gesorgt. Nun regiert eine linke Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ. Viele Mythen haben sich seither aufgebaut. Beispielsweise dass es in Graz bis zu 38.000 leer stehende Wohnungen geben soll. Eine Objektivierung der Debatte durch Politik und Medien ist längst überfällig. Wir haben dazu bei den Rathausparteien nachgefragt, wie eigentlich ihr Wissensstand über die Bausituation in Graz ist und welche Lösungsansätze sie haben. Dazu haben wir allen Parteien einen Fragenkatalog übermittelt. Die Rathauskoalition aus KPÖ, SPÖ und Grünen hat uns eine gemeinsame Antwort übermittelt. Auch das Stadtplanungsamt hat uns umfassende Daten zukommen lassen.

Leistbares Wohnen und Wohnbedarf in Graz

Der Bauboom in Graz ist kein lokales Phänomen, sondern geschieht vor dem Hintergrund einer österreichweiten bzw. europäischen Entwicklung. Der Zuzug in die Städte führt in vielen Ländern zu steigenden Wohnungspreisen. Städte wie Berlin, München oder Hamburg leiden sogar unter Wohnungsmangel, der dazu führt, dass oft 100 Bewerber auf ein Mietobjekt kommen. In Deutschland will die Bundesregierung daher 400.000 neue Wohnungen schaffen. Dort regt das Bauen nicht auf, es wird sogar gefordert. In Graz war der Preisanstieg beim Wohnen moderater als anderswo, weil eben viel gebaut wurde. Doch wie sieht es mit dem zukünftigen Bedarf aus? „In den letzten Jahren war und ist auch jetzt noch die privat finanzierte und betriebene Bauaktivität im gesamten Grazer Zentralraum sehr hoch – höher als es die Nachfrage nach Wohnraum ist“, heißt es dazu vonseiten der Rathauskoalition. Sie sieht aufgrund der Profitorientierung die Nachfrage nach leistbarem Wohnen nicht gedeckt. Das Stadtplanungsamt bestätigt, dass bis 2034 die Bevölkerung ansteigen wird. Seit Ausbruch der Pandemie verlangsamt sich der Zuwachs allerdings. Es ist daher das Konzept der Stadt Graz, privat nachgefragte Neubaugrundstücke auch weiterhin vorzuhalten und dem Markt zur Verfügung zu stellen. Für die nächsten zehn Jahre seien noch ausreichend Grundstücke vorhanden, heißt es vonseiten der Politik. „Ein weiterer Teil der Strategie muss aber auch sein, leistbares kommunales Wohnen – entweder durch Eigenprojekte von ,Wohnen Graz’ sowie durch gemeinsame Projekte mit Genossenschaften – anzubieten. Hier braucht es permanent neue Grundstücksvorsorgen“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Um der Preisentwicklung entgegenzuwirken, muss also weiterhin im privaten als auch verstärkt im kommunalen Bereich gebaut werden.

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Foto: iStock.com/Przemysław Iciak

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