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Europäische Werte


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Werte

Eine Spurensuche an der Grenze zwischen Hoffnung und Zuversicht.

Von Thomas Duschlbauer

Es vergeht kaum ein Tag, an dem angesichts der russischen Invasion in der Ukraine nicht die europäischen Werte beschworen werden. Wie eine Monstranz werden sie von den Politikern gegenwärtig vor sich hergetragen. Aber was genau hat es mit diesem liturgischen Schaugerät auf sich? Beziehen sich diese Werte allein auf die Europäische Union als sogenannte Wertegemeinschaft. Schwer zu glauben, wenn etwa die rassistischen Reden eines Viktor Orban ohne Konsequenzen hingenommen werden. Dabei muss man gar nicht nach Ungarn, Polen und an die Strände von Lesbos und Lampedusa blicken, sondern lediglich nach Spielfeld oder zum Walserberg, wo es der Europäischen Union nach Jahren immer noch nicht gelungen ist, eine der Grundfreiheiten ihrer eigenen Bürger zu verteidigen.

Vorbild Europa?

Sind die europäischen Werte gar etwas, was sowohl geografisch als auch historisch doch weiter gefasst werden sollte als das, was die Europäische Union heute repräsentiert oder gerne repräsentieren würde? Auch das ist beim besten Willen kaum vorstellbar bzw. sollte genau genommen auch nicht der Fall sein. Gott behüte! Denn nur die Europäer vollbrachten es, gleich auf mehreren Kontinenten Genozide zu verüben und zudem zehn bis zwölf Millionen Schwarzafrikaner von einem Kontinent zum anderen für die Sklavenarbeit zu verschleppen. Europa war die Wiege zweier Weltkriege, die annähernd 90 Millionen Menschen das Leben kosteten. Und die Vernichtung von Leben im industriellen Maßstab wurde auf unserem Kontinent erfunden – für Menschen, die man mit Ungeziefer gleichsetzte.

Ablasshandel 2.0

Was sind also wirklich die europäischen Werte? Ist damit vielleicht das gemeint, was gemeinhin unter humanistischen Werten verstanden wird? Auch das wäre zu verneinen, denn der Humanismus räumt der Würde des Menschen, dem Leben und der Gewaltfreiheit Priorität ein. Einem Humanisten würde es jedes Mal die Schamesröte ins Gesicht treiben, wenn er verkünden würde, dass andere seine Werte nun für ihn auf einem Schlachtfeld verteidigen. Einem Humanisten würde der mittelalterlich anmutende Ablasshandel mit einer kalten Dusche, einem ungebügelten Hemd oder einer Nassrasur im Tausch für ein ausgehauchtes Leben außerhalb seines Horizonts zutiefst verwerflich und abstoßend vorkommen. Ein Humanist ist nicht nur ein Pazifist, er nötigt anderen im Sinne der Gewissensfreiheit auch nicht auf, sich von etwas distanzieren zu müssen, nur um als guter Mensch gelten zu dürfen.

Die kulturelle Aneignung schlechthin

Aber selbst wenn sich die europäischen Werte mit jenen des Humanismus da und dort zufällig überschneiden würden, dann dürften die Europäer darauf eigentlich keinen alleinigen Anspruch geltend machen. Denn im Sinne eines humanistischen Weltbildes ist auch anzunehmen, dass diese Werte überall zu finden sind, wo es eben Menschen gibt. Insofern wäre ein solch exklusiver Anspruch der ultimative Ausdruck einer ganz besonderen Ausprägung dessen, was heute als kulturelle Aneignung bezeichnet werden könnte.

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Foto: Thomas Duschlbauer

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