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Industrie
Hohe Energiepreise, Arbeitskräftemangel, Investitionsklemme, sinkende Nachfrage und strenge Klimagesetze machen aktuell der europäischen Industrie zu schaffen. Die Auswirkungen sind auch in unseren heimischen Industriegebieten langsam spürbar. Das Gespenst der Deindustrialisierung geht in Europa um. Im Schatten des Ukraine-Kriegs haben nun die USA den Kampf um den Industriestandort der Zukunft ausgerufen. Mit dem Inflation Reduction Act könnten Investitionen aus Europa abgezogen werden. Die EU muss sich beeilen nachzuziehen.
Von Stefan Rothbart
Die deutsche Chemieindustrie liegt auf der Intensivstation. Wie ein[1]schneidend die hohen Energiepreise die Branche belasten, wird am deutlichsten beim Branchen-Primus BASF. Der Chemiekonzern hat sich unlängst ein um[1]fangreiches Sparprogramm von 500 Millionen Euro verordnet. Produktionsanlagen wie Teile der Ammoniak-Produktion in Ludwigshafen sollen laut Handelsblatt stillgelegt werden. So wie BASF geht es vielen Unternehmen an Europas wichtigstem Industriestandort Deutschland. Vor allem die energieintensiven Zweige, die etwa 20 bis 25 Prozent der deutschen Industrie ausmachen, leiden besonders unter sinkenden Margen und hohen Energiepreisen. Zahlreiche Experten sprechen bereits von einer Deindustriealisierung. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sieht Deutschlands Geschäftsmodell unter „enormem Stress“ und er hält die Gefahr einer industrielle Abwanderung für real. Als beliebtes Abwanderungsziel gelten derzeit die USA. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) vom Oktober 2022 würden rund 62 Prozent der 3.100 befragten deutschen Unternehmen die aktuelle Geschäftslage in Nordamerika positiv bewerten. Fast 39 Prozent gaben an, in den nächsten Monaten höhere Investition in den USA tätigen zu wollen. Investitionen in die Eurozone wollen dagegen nur 32 Prozent erhöhen; 26 Prozent der befragten Unternehmen wollen ihr Engagement sogar reduzieren. Die Zahlen alarmieren längst auch Brüssel. Am deutschen Industriestandort hängt direkt oder indirekt fast jeder vierte Arbeitsplatz in produzierenden Gewerben in der EU. Schwächelt der Industriestandort Deutschland, bedeutet das auch eine erhebliche Schwäche für die europäische Wirtschaft insgesamt. Um den Industriestandort der Zukunft ist ein beinharter internationaler Wettbewerb zwischen Europa, Asien und den USA entbrannt.
Die neue Industrialisierung Amerikas
Was mit Trumps „America First“-Politik begonnen hat, wurde unter Präsident Biden, wie von Analysten erwartet, konsequent fortgeführt: Amerikas Abwehrkampf gegen den Verlust der wirtschaftlichen Vormachtstellung. Schon länger gibt es in den USA das Gefühl, wirtschaftlich gegenüber Europa und vor allem China abgehängt worden zu sein. Industrieproduktionen wurden in den letzten 30 Jahren immer mehr abgebaut und nach Asien verlagert, wovon die Rust Belts in den ehemaligen Industriemetropolen der USA zeugen. Der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung beträgt 2021 in den USA knapp elf Prozent. Im Vergleich dazu lag der Industrieanteil in Deutschland bei knapp 26 Prozent und sogar in Frankreich noch bei 16,8 Prozent. In der Eurozone machte der Anteil der Industrie an der nominellen Bruttowertschöpfung knapp 23 Prozent aus, in Österreich beträgt dieser rund 26 Prozent. Generell ist Industrieproduktion stark in Mittel- und Osteuropa konzentriert. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie und seit Beginn des Krieges in der Ukraine setzten die USA aber auf eine Rückgewinnung ihrer einstigen Industriestärke. Mit dem Inflation Reduction Act möchte Präsident Joe Biden Investitionen in saubere Technologien und Produktionen in den USA forcieren. Rund 100 Milliarden US-Dollar macht er dafür zur Stärkung des US-Industriestandorts locker. Das ist zwar ein Bruchteil der 5,8 Billionen Dollar an Staatsausgaben, aber eine Verdoppelung der Industrieförderungen. Der Fokus liegt dabei auf strategisch wichtigen Branchen wie der Mikrochip-Industrie, E-Auto-Produktion, Batterien und erneuerbaren Energien. Mit weiteren 400 Milliarden Dollar fördert Biden zudem „Buy-American“ Autos, die in Nordamerika gefertigt wurden, werden mit über 7.000 US-Dollar subventioniert. Erste Auswirkungen zeigt das neue Investitionsgesetz bereits. Der Autobauer Ford zieht einen Teil seiner Forschungsabteilung aus Deutschland ab. 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen. Das ist insofern bemerkenswert, weil ausgerechnet der F&E-Bereich ein fixes Argument für den Industriestandort Deutschland war. Doch mit dem Ausstieg aus Verbrennungsmotoren bis 2035, steigenden Energiekosten sowie grassierendem Fachkräftemangel ist gerade der Forschungssektor nicht mehr so zugkräftigt wie einst. Bei der Entwicklung von E-Autos sind die USA mittlerweile interessanter. Mehrere deutsche Autobauer und Zulieferer, wie etwa Audi und VW, überlegen daher eine Verlagerung der E-Auto-Produktion in die USA oder nach China.
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